Langzeitbelichtung und Filterfotografie

 
 

Inhalt

Früher…
… und heute
Der Polarisationsfilter
Wie benutze ich einen Polfilter?
Brauche ich einen Polfilter?
Der Graufilter
Welche Stärke brauche ich?
Schraub- oder Steckfilter?
Grauverlaufsfilter – der Spezialist
Brauche ich einen Graufilter?

Eine der häufigsten Fragen, die mir von Fotografie-Neulingen gestellt wird, ist die Frage nach Objektivfiltern. Ob sich diese lohnen, welche man braucht, wie teuer die sind, welche Marke etc. Deshalb möchte ich in diesem Artikel etwas näher auf Grau- und Polarisationsfilter eingehen. Das Ganze soll aber weder Markenvergleich noch eine Kaufempfehlung sein. Viel mehr will ich die einzelnen Filterarten und -systeme vorstellen, damit ihr selbst entscheiden könnt ob eine Anschaffung überhaupt sinnvoll ist.

 

Früher…

Einige von euch werden sich noch an die Zeiten erinnern, als es noch keine automatische Bildrückschau gab, die Speicherkarte nur 36 Bilder fasste und Bildbearbeitung mit vielen geschickten Handgriffen verbunden war. Die Rede ist von der analogen Fotografie. Damals wurde der Bildlook größtenteils vom verwendeten Film und dem Objektiv erzeugt. Um Einfluss auf die Farben und die Farbtemperatur zu nehmen, wurden bestimmte Filter vor das Objektiv geschraubt. So konnte man z.B. mit einem Konversionsfilter einen Tageslichtfilm an Kunstlicht anpassen oder mit Farbfiltern eine bestimmte Farbe abdunkeln bzw. aufhellen. Das war vor allem in der Schwarz-Weiß-Fotografie wichtig. Durch die digitale Fotografie und die Bildbearbeitung sind diese Filter jedoch weitestgehend bedeutungslos geworden. Allerdings gibt es auch einige Filter aus der analogen Zeit, die den Sprung in die Moderne geschafft haben.
 
 

… und heute

Die Rede ist von Polarisations- und Graufiltern (Bild 1). Dies sind Filter, die nach wie vor noch beliebt sind und in manchen Fällen sogar unerlässlich sind. Am häufigsten werden solche Filter sicherlich in der Landschaftsfotografie eingesetzt, allerdings gibt es auch Anwendungsmöglichkeiten in der Portrait- und Produktfotografie sowie beim Filmen von Videos. Die digitale Technik ist aber auch hier schon am Aufholen und einige der Filtereffekte können inzwischen auch schon sehr gut durch Bildbearbeitung erreicht werden.
 
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Bild 2: Vorher-/Nachher-Bild mit einem Polfilter. Durch den Filter werden Farben und Kontraste verstärkt.
 

Der Polarisationsfilter

Wer sich vielleicht noch an den Physikunterricht erinnert, der weiß, dass das Sonnenlicht in unserer Atmosphäre teilweise polarisiert ist. Ein Teil der elektromagnetischen Wellen schwingt also in der selben Polarisationsebene. Ein Polarisationsfilter absorbiert nun komplementäre (gegensätzliche) Wellen einer bestimmten Polarisationsebene. Hört sich alles ziemlich kompliziert an und wer da noch tiefer in die Physik einsteigen möchte kann sich gerne den entsprechenden Wikipedia-Link durchlesen oder ein altes Physikbuch herauskramen.

Wichtig für uns ist der Effekt den ein Polfilter hat. Zum einen reduziert er Reflexionen an bestimmten Oberflächen. Das heißt Spiegelungen z.B. an Wasseroberflächen, Glasscheiben oder Autolackierungen werden reduziert und können manchmal sogar ganz unterdrückt werden! Zum anderen verstärkt er, je nach Einstellung, bestimmte Farben. Das kann zu einem kräftigeren Blau im Himmel oder dem Meer führen oder zu stärkeren Farben und Kontrasten in der Landschaft (Bild 2).
 

Wie benutze ich einen Polfilter?

Der Filter kommt in der Regel als zirkulärer Polfilter*, der sich auf das Kameraobjektiv aufschrauben lässt. Dabei besteht er eigentlich aus zwei Filtern, die sich gegeneinander drehen lassen. Der untere Teil wird dabei auf das Objektiv geschraubt, der darauf sitzende Teil lässt sich nun drehen. Durch die Drehung wird die Polarisationsebene bestimmt, welche von dem Filter absorbiert werden soll. Wir können jetzt durch den Kamerasucher oder per Liveview den Punkt bestimmen an dem der gewünschte Effekt eintritt. Dabei gibt es jedoch einige Dinge zu beachten. Wollen wir das Blau des Himmels verstärken hat unser Filter den stärksten Effekt, wenn sich die Kamera im 90° Winkel zum Lichteinfall befindet. Zeigt unser Objektiv also auf die Stelle an welcher der Polarisationseffekt am stärksten sein soll, können wir uns im 90° Winkel dazu einen Halbkreis von möglichen Sonnenpositionen denken.

Da sich der Filter immer nur auf eine Polarisationsebene beschränkt, schwächt sich der Effekt um diese herum ab. Besonders offensichtlich wird dies bei Objektiven mit kleiner Brennweite. Es entsteht dann ein Helligkeitsverlauf im Himmel.

Um Spiegelungen zu entfernen dürfen wir nicht senkrecht zu diesen stehen, dann lassen sich mit einem Polfilter Reflexionen von einer Wasseroberfläche, Fenstern oder auch von Blättern entfernen. Wie auch mit dem Himmel ist die Stärke des Effekts abhängig von der Position der Kamera (also des Filters) zum fotografierten Objekt. Hier hilft einfach ausprobieren und wenn möglich den Standort zu verändern. Übrigens: bei metallischen Reflexionen funktioniert das nicht, da Metall kein polarisiertes Licht erzeugt.

Benutzt ihr einen Polfilter solltet ihr noch im Kopf haben, dass dieser je nach Hersteller 1-2 Blenden an Licht schluckt, also die Belichtungszeit verlängert.

Brauche ich einen Polfilter?

Die Antwort, wie übrigens bei allen Fragen in der Fotografie und im Leben, ist ein klares Jein. Geht es euch darum Farben und Kontrast im Himmel oder der Landschaft zu verstärken dann lässt sich der gleiche Effekt auch durch digitale Bildbearbeitung erreichen. Habt ihr auf so etwas aber keine Lust, und wollt eure Bilder direkt aus der Kamera nutzen, dann ist ein Polfilter eine interessante Ergänzung eurer Fototasche.

Anders ist es mit den Reflexionen. Diese lassen sich nur sehr schwer bis gar nicht in der Bildbearbeitung entfernen. Wenn ihr also durch eine Wasseroberfläche auf den Meeresgrund schauen wollt, dann kommt ihr um einen Polarisationsfilter nicht herum!

Und wie bei allem technischen Equipment gibt es auch hier eine große Preisspanne. Wer den Effekt nur mal ausprobieren möchte, der muss sich kein Model für 100 € kaufen, sondern ist mit einem 20-30 €-Filter gut bedient. Dann muss man evtl. Abstriche in der Bildqualität hinnehmen, ihren Dienst verrichten aber auch diese Polfilter. Womit wir auch schon zu dem nächsten Filter kommen:

Der Graufilter

Ihr alle kennt wahrscheinlich Bilder von Flüssen oder Wasserfällen in denen das Wasser nur noch ein seidiger Verlauf ist oder Wolken zu Streifen am Himmel werden. Durch eine lange Verschlusszeit wird Bewegung sichtbar, das Wasser bzw. die Wolken „wandern“ während der Belichtung über den Kamerasensor. Eine lange Belichtung bedeutet aber auch viel Licht auf dem Sensor. Um eine Überbelichtung zu vermeiden können wir die Empfindlichkeit des Sensors so gering wie möglich halten (≤ ISO 100) und die Blende des Objektivs schließen. Was aber, wenn es immer noch zu viel Umgebungslicht gibt und sich die gewünschte Verschlusszeit nicht einstellen lässt? Oder wir bei Blende f/8 und nicht bei f/22 fotografieren wollen? Dann kommt der Graufilter in Spiel. Ein Graufilter ist im Grunde genommen eine Sonnenbrille für die Kamera. Er verringert also die Lichtmenge, die durch das Objektiv fällt. Denn genau wie ein Polfilter wird auch ein Graufilter (auch ND-Filter, ND steht für Neutraldichte bzw. Neutral Density) an dem Objektiv angebracht. So lassen sich auch bei Tageslicht lange Verschlusszeiten realisieren. Die Filter werden in verschiedenen Stärken und als unterschiedliche Systeme angeboten, was leicht für Verwirrung sorgen kann.

 
 

Welche Stärke brauche ich?

Der Verdunkelungsfaktor eines Graufilters wird mit dem Kürzel ND angegeben. Dabei bedeutet ein höherer Wert eine geringere Lichtdurchlässigkeit. Ein Filter mit der Stärke ND 0.3 lässt also mehr Licht durch als ein Filter mit der Stärke ND 1.8.

Folgende Tabelle zeigt den Zusammenhang zwischen Filterstärke und Belichtungszeit.

 
StärkeVerlängerung der BelichtungszeitLichtdurchlässigkeit
ND 0.3x 250%
ND 0.6x 425%
ND 0.9x 812,5%
ND 1.2x 166,25%
ND 1.5x 323,125%
ND 1.8x 641,563%
ND 2.0x 1000,781%
ND 2.4x 2560,391%
ND 2.7x 5120,195%
ND 3.0x 10000,098%
Würde ich also ein Foto mit 1/30 Sekunde belichten und dann einen ND 0.9 Filter aufschrauben müsste ich, um ein gleichhelles Bild zu bekommen, eine Belichtungszeit von 1/4 Sekunde wählen. Eine ausführliche Tabelle findet ihr hier. Mittlerweile gibt es auch Apps für eure Smartphones um die Belichtungszeit zu berechnen.

 
Graufilter_stefano_paterna03_ND-Filter_stefano_paterna

 
Bild 3: Vorher-/Nachher-Bild mit einem Graufilter. Belichtungszeit des Nachher-Bildes: 82 Sek. bei f/16, ISO 50.
 

Aber welche Stärke brauche ich denn jetzt?

Das hängt natürlich von der Szene und den Lichtverhältnissen ab. Der Verwischungseffekt bei Wasser tritt durchaus schon ab ca. 1/15 Sekunde Belichtungszeit auf, allerdings wird er erst richtig schick ab ca. 1 Sek. Möchte ich Wolken verwischen lassen, brauche ich eine längere Belichtungszeit, denn diese bewegen sich in der Regel viel langsamer als Wasser. Da kann es sein das man schon einmal 30 Sek. und länger belichten muss (Bild 3). An dieser Stelle erwähne ich mal, das man selbstverständlich mit einem Stativ arbeiten muss …


 

 

 

Schraub- oder Steckfilter?

Graufilter gibt es als Schraubfilter*, die genau wie ein Polfilter vor die Frontlinse des Objektivs geschraubt werden. Der Vorteil daran ist, sie sind kompakt und müssen nicht extra abgeschraubt werden, packe ich die Kamera mal wieder in die Tasche. Nachteil ist natürlich, dass ein 72 mm-Filter nur mit einem Adapter auf ein kleineres Objektiv passt und erst gar nicht auf ein größeres Objektiv.

Profis benutzen hingegen Stecksysteme* (Bild 4). Dabei wird ein Rahmen am Objektiv befestigt, der verschiedene Einschübe bietet. So können unterschiedliche Filter einfach in den Rahmen geschoben werden und so auch miteinander kombiniert werden (auch Schraubfilter kann man aufeinander schrauben, dadurch kann es jedoch zu Randabschattungen kommen). Diese Stecksysteme lassen sich per Adapter an verschiedene Objektivdurchmesser anpassen. Der Nachteil von solchen Systemen ist allerdings, sie sind teuer und brauchen auch viel Platz in der Fototasche. Also eher etwas für den ambitionierten Langzeitfotografen.


 
 

Grauverlaufsfilter – der Spezialist

Ein spezieller Graufilter ist der Verlaufsfilter (Bild 5). Dieser ist nur zur Hälfte abgeschattet und wird nötig, wenn wir eine Szene mit hohem Dynamikumfang fotografieren wollen. Zum Beispiel ein heller Himmel und ein dunkler Vordergrund. Der Filter schattet dann den Himmel ab und wir können auf den Vordergrund belichten, ohne das der Himmel überbelichtet wird (Bild 6). Der Effekt eines Grauverlaufsfilters lässt sich mittlerweile auch per Software erzeugen, z.B. in Adobe Lightroom oder durch Exposure-Blending in Photoshop.

Brauche ich einen Graufilter?

Mittlerweile können Programme wie Affinity Photo aus mehreren Fotos eine Langzeitbelichtung simulieren. Für einen richtig schönen Effekt im Stile eines Julius Tjintjelaar ist aber immer noch ein Filter notwendig. Durch die lange Belichtungszeit lassen sich übrigens auch Menschen aus Bildern entfernen. Bei sehr langen Belichtungszeiten strahlt ihre Bewegung nicht mehr genug Licht ab um in der Aufnahme zu erscheinen. So entstehen Fotos von menschenleeren Plätzen.

Was Preise und Qualität angeht, gilt das gleiche wie für die Polfilter. Wer den Effekt nur einmal ausprobieren möchte, ist mit einem günstigen Aufschraubfilter für sein Standardobjektiv sicherlich gut beraten. Allzu viel in Sachen Bildqualität sollte man dann aber nicht erwarten. Viele Hersteller bieten auch günstige Filtersets mit den gängigsten Stärken an. Filterstecksysteme mit guten Glasfiltern können dann aber auch leicht mal 400 € aufwärts kosten.


 
Grauverlaufsfilter_stefano_paterna_2Grauverlaufsfilter_stefano_paterna_2

 
Bild 6: Vorher-/Nachher-Bild mit einem Grauverlaufsfilter.

 

Und brauche ich einen UV-Filter?

Nein.

Ein UV-Filter (auch UV-Sperrfilter genannt) wird eingesetzt, um das besonders „blaulastige“ Streulicht zu filtern und somit einen „Blaustich“ zu vermeiden. Bei odernen Kameras mit viellinsigen, vergüteten Objektiven ist der Einsatz dieser Filter jedoch nichterforderlich, da das in der Summe dicke Glas der Objektive UV-Strahlung bereits ausreichend sperrt.

Wird ein beliebiger anderer Farbfilter oder ein Polarisationsfilter eingesetzt, ist ein zusätzlicher UV-Filter überflüssig und reduziert lediglich die Abbildungsleistung des Objektives. Viele Fotografen sehen die Hauptaufgabe eines UV-Filters daher im Schutz des Objektives vor mechanischen Beschädigungen, insbesondere Kratzern.

Ich hoffe ich konnte euch einen Einblick in die Welt der Filter geben - wozu, welche und ob man überhaupt Filter braucht. Das Thema kann man sicherlich noch weiter ausführen würde hier aber den Rahmen endgültig sprengen. Falls Ihr jedoch noch Fragen und Anregungen habt, freue ich mich über Eure Kommentare!

Stefano Paterna
Reisefotograf aus Leidenschaft, Autor und Dozent. Er gibt sein Wissen und seine Erfahrungen an Hobbyfotografen weiter – in Fotokursen vor Ort und auf ausgewählten Fotoreisen. Autor der Bücher Urbane Fotografie, Die Fotoschule in Bildern - Fotografieren auf Reisen, Fotoscout Venedig und Fotoscout Köln. Markenbotschafter für Kase Filters Deutschland.

1 Comment

  1. Tim sagt:

    Zu den UV-Filtern…
    Angeblich führen bestimmte Wellenlängen aus dem UV-Bereich zu Farbstichen bei Bildern. Das soll vor allem an der Küste oder in den Bergen auftreten. Das ist mir jedoch noch nie Aufgefallen und etwaige Farbstiche können heutzutage schnell mit digitaler Bildbearbeitung korrigiert werden. Bei der Menge an Glas in einem Objektiv dringt sowieso kaum UV-Strahlung bis zum Sensor durch!
    Gerne werden UV-Filter von Verkäufern auch als Schutzfilter angepriesen. Ein Schutzfilter hat schon seine Daseinsberechtigung, gerade wer viel draußen unterwegs ist, der kann die Frontlinse seines Objektivs so schützen. Allerdings würde ich mir dann nicht einen UV-Filter holen sondern einen hochwertigen, reinen Schutzfilter. Die UV-Beschichtung macht den Filter nämlich nur noch teurer. Ein reiner Schutzfilter wäre z.B. von B+W 007 Clear-Filter oder von Hoya der HD Filter Protector.
    Wer aber nicht ständig im Gebirge unterwegs ist oder auf dem Bauch liegend Tiere in der Natur fotografiert, der muss auch nicht unbedingt in einen Schutzfilter investieren. Wer gerade nicht fotografiert, der kann ja auch einfach den Objektivdeckel auf sein Objektiv drauf klemmen…
    Viele Grüße,
    Tim

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